Die Fachgruppe WIV – Apotheker in Wissenschaft, Industrie und Verwaltung – vertritt die Interessen der außerhalb der öffentlichen- und der Krankenhaus-Apotheke tätigen Apotheker - die ebenso, die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln an verschiedensten Stellen im Gesundheitswesen, in Behörden oder der Industrie sicherstellen. Aber eben diese ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln wird durch das geplante Apotheken-Reformgesetz erodiert.
Apotheken sind – gerade in ländlichen Regionen - wichtige und zuweilen einzige Anlaufstelle für Patienten mit Gesundheitsproblemen oder -fragen. Die Abkehr vom Versorgungsgedanken durch die Apotheke durch die Aufhebung der ständigen Dienstbereitschaft mit Befreiungsmöglichkeit zugunsten einer Mindeststundenzahl ist daher kritisch. Denn angesichts des Fachkräftemangels und der ökonomischen Zwänge der öffentlichen Apotheken, die seit zehn Jahren keine Honorarerhöhung erhalten haben, ist zu erwarten, dass viele Apotheken davon Gebrauch machen werden und eine verlässliche Versorgung an allen Standorten nicht mehr sicher ist.
Kompensiert werden soll das aus Sicht des Gesetzgebers wohl teilweise durch die vorgesehene Option, Apotheken auch ohne Apotheker zu öffnen, wenn ein Apotheker telepharmazeutisch (in der Realität dann wohl eher telefonisch?) erreichbar ist. Aber nicht umsonst war bisher die ständige Anwesenheit eines Apothekers während der Öffnungszeiten erforderlich, pharmazeutisch-technischen Assistentinnen dürfen derzeit mit ihrer 2,5-jährigen Ausbildung nicht ohne Aufsicht arbeiten. Die Sicherstellung der Arzneimitteltherapiesicherheit, Rücksprachen mit Ärzten, Kliniken und Krankenkassen – all das geht nur auf Augenhöhe.
Pharmazieingenieure, die den Apotheker vertreten dürften, gibt es kaum noch. Der Fachkräftemangel macht es unwahrscheinlich, für die neuen Zweigapotheken ausreichend Apotheker zu finden. Eine Lösung könnte daher sein, PTAs vor der stundenweisen Leitungsvertretung verpflichtend weiter zu qualifizieren, damit sie zeitweise diese Vertretung übernehmen können. Dies könnte mittels eines berufsbegleitenden Aufbaustudium an einer Berufsakademie erfolgen. Der jetzige Gesetzentwurf, der lediglich auf „erfahrene PTA“ (wobei „erfahren“ nicht näher spezifiziert wird) abstellt, ist hier nicht suffizient. Und da das Betäubungsmittelgesetz, das Transfusionsgesetz und die Arzneimittelverschreibungs-verordnung nicht mit geändert werden, gäbe es in der von der PTA geöffneten Apotheke auch nur noch 8 Stunden in der Woche Betäubungsmittel, Blutprodukte und Arzneimittel auf T-Rezept – die darf nämlich nur der Apotheker abgeben/abzeichnen bzw. muss sie unverzüglich dokumentieren.
Ebenfalls kritisch ist, dass Filialen nun überall eröffnet werden dürfen und nicht mehr nur im angrenzenden Kreis. Solange die Filiale in einer Entfernung liegt, „die ihm (dem Apotheker) innerhalb einer angemessenen Zeitspanne die Wahrnehmung seiner persönlichen Verantwortung erlaubt.“ Die Gesetzesbegründung spekuliert (ohne inhaltliche Begründung) über 3 Stunden PKW-Fahrtdauer zwischen den Standorten. Ausgelegt wird das dann, da in der Apothekenbetriebsordnung nur „angemessen“ steht, von den Bundesländern im Zweifel unterschiedlich. Aber drei Stunden Fahr- und damit Reaktionszeit sind ohne Frage zu viel, wenn ein Patient oder z.B. ein Arzt aus einem Palliativversorgungsteam mit einem ernsten Problem in einer Apotheke ohne Apotheker Hilfe sucht.
Daher spricht sich die Fachgruppe WIV-Apotheker dafür aus, die Honorare auskömmlich zu gestalten und Strukturreformen, die sicher diskutabel sind, nur gut begründet zu beginnen. Beides ist derzeit im Referentenentwurf nicht der Fall. Dazu gehört insbesondere, die persönliche Leitung einer Apotheke durch einen Apotheker nur dann zu modifizieren, wenn klare Kriterien an Ausbildung und Abschluss des Vertreters beschrieben sind (z.B. PTA mit BA-Aufbaustudium) und die nötigen Folgeregelungen (z.B. BtmG) bedacht sind.
Der Vorstand für die Fachgruppe WIV-Apotheker - Apotheker in Wissenschaft, Industrie und Verwaltung e.V.
Juni 2024